Nel Cuore Verde d’Italia. Umbrien.
Roma - bei Piedipaterno

Nach dem morgendlichen Start müssen wir ein ganzes Stück von vorgestern wieder nach Prima Porta zurückfahren, ehe uns die größere Straße im flachen Tibertal schnell voranbringt. Am Vortag war noch eine ganz andere Route geplant, die uns allerdings etwas Kopfzerbrechen bereitete.

Der ursprüngliche Plan sah vor den Tiber zu queren um anschließend in die Bahn zu steigen und so das Tal zu überbrücken. Am Vorabend sprach ich noch lange mit der Frau an der Rezeption, da ich keine Möglichkeit fand den Fluss zu überqueren. Am Ende standen zwei Möglichkeiten zur Wahl: Entweder fast bis in die Innenstadt hinein zu fahren, dort die Brücke zu nehmen um dann das gleiche Stück auf der anderen Seite wieder zurückzufahren, oder einen Kilometer illegal auf der Ringautobahn zu fahren. Beide Möglichkeiten erschienen uns nur wenig attraktiv und so entwarfen wir noch beim Abendessen eine Alternative, in der wir das Tibertal weiterfahren wollten um dann einige Stationen später die Bahn zu besteigen und dafür später auszusteigen.

Nach zwanzig Kilometern in Richtung Norden haben wir den so viel Probleme bereitenden Fluss endlich überquert und treffen am Bahnhof ein, nachdem wir uns mit genügend Wasser (insgesamt 10 l) – auch für den morgigen Tag, schließlich ist heute Samstag – eingedeckt haben.

10 Liter Wasservorrat dabei

Da der Fahrkartenschalter geschlossen hat, muss ich die Bahntickets an einem Kiosk kaufen, der leider nichts von Fahrradtickets weiß und mir deswegen ein zweites normales Ticket für die Räder verkauft.

Natürlich hat der ankommende Zug kein Fahrradabteil. So müssen wir uns in einen normalen Gang quetschen. In windeseile heben wir die Räder in den Zug – verdammt, ist das eng hier! Ich bleibe natürlich irgendwo hängen. Zum Glück hilft mir ein Italiener. Hab ich alles? Mist! Drei Taschen stehen noch draußen. Ich flitze noch einmal auf den Bahnsteig, greife mir das Taschenbündel und glaube nicht richtig zu sehen, als die Türen bereits zu schließen beginnen. Mit drei schnellen Schritten springe ich in letzter Sekunde noch in den Zug. Auch bei Christian ist es nicht ruhiger abgelaufen – ihm ist in der Hektik eine Wasserflasche unter den Zug gerollt.

Durchgeschwitzt nehmen wir im anfahrenden Zug endlich Platz und lassen den Puls wieder auf ein akzeptables Niveau absinken. Bis der Schaffner kommt - und natürlich die nicht vorhandenen Fahrradkarten verlangt. Von meinen Erklärungen, dass es am Kiosk keine Fahrradkarten gibt und wir deswegen zwei normale Tickets gekauft haben, will er nichts wissen und behauptet steif und fest, dass es welche gäbe; gibt aber irgendwann glücklicherweise auf.

Am Endbahnhof steigen wir aus und machen uns in der brütenden Hitze auf den Weg. Da sich der Tag bereits dem Nachmittag entgegen neigt und wir noch 80 Kilometer zu bewältigen haben, verzichten wir auf die Siesta und arbeiten uns stattdessen lieber fünfzehn Kilometer bergauf, wobei wir auch die Grenze zu Umbrien passieren. Nicht umsonst wird diese Provinz auch als grünes Herz Italiens bezeichnet. Die Vegetation ist viel dichter als in den übrigen Teilen Italiens und spendet uns wenigstens teilweise etwas Schatten vor der sengenden Sonne.

Im grünen Herzen Italiens

Da die langersehnte Abfahrt nicht sofort nach dem Erreichen des hochgelegenen Ortes kommt, nörgelt Christian rum, ist dann aber zufriedengestellt, als es lange bergab ins Tal um Terni geht. Begleitet wird die Abfahrt von wunderschönen Aussichten auf die hoch aufragenden Berge, die das Tal begrenzen. Nach der Stadt Terni, die leider einige größere Orientierungsprobleme und einen nicht mehr gewöhnten Verkehrsoverflow mit sich bringt , beginnt das Valnerina - ein landschaftlicher und absolut lohnenswerter Höhepunkt Italiens. Vor allem bei Radfahrern besonders beliebt, schlängelt sich die fast flache Straße durch das enge Tal des Flusses Nera. Nicht viel breiter als die Straße ist das Tal, steil ragen die dicht bewaldeten Berge auf und wir fliegen trotz des leichten Anstiegs nur so dahin.

Blick ins Tal um Terni Valnerina im Abendlicht

Zusätzliche Schönheit wird dem lieblichen Tal durch das Licht der untergehenden Sonne verliehen und die Blicke bleiben an den sich die Berghänge hochziehenden Ortschaften im roten Licht hängen. Hier und da sieht man noch ein paar verfallene Mauern und Wehrtürme, die alte Grenzen aufzeigen. Nachdem die Sonne hinter den kahlen Bergspitzen verschwunden ist, wird es auch für uns Zeit uns einen Platz zum Wildcampen zu suchen. Christian hat einen ideal scheinenden Platz hinter einer Baumgruppe an einem Berghang ausgemacht. Jedoch scheitern wir am Versuch die Räder den steilen Berg hinaufzuschieben und müssen so jedes Gepäckstück einzeln hinauftragen. Mit schweren Armen vom vielen Tragen, durchgeschwitzt durch die Eile – schließlich soll uns keiner sehen – und mit aufgerissenen Beinen dank der vielen Dornen und Disteln wird jeder erneute Gang der steilen Strecke zur Schinderei. Mittlerweile haben uns auch mehrere Dutzend Autos auf der vorbeiführenden Straße gesehen. Von einem unsichtbaren Campingplatz kann jetzt wohl nicht mehr die Rede sein. Mittlerweile fühlen wir uns auch nicht mehr so wohl bei dem Gedanken hier oben zu zelten, wo uns doch höchstwahrscheinlich so viele Menschen gesehen haben. Auch die beiden gefundenen Knochen und Christians Horrorgeschichten von Mördern mit Kettensägen steigern das Wohlbefinden nicht wirklich.

Valnerina

Während wir kochen, witzeln wir darüber, dass der Bauer morgen früh hoffentlich keinen Bullen auf die Weide lässt. Die Witzeleien lassen uns wenigstens etwas das Unbehagen verdrängen. Mit Pfefferspray und Messer griffbereit schlafen wir irgendwann endlich ein. Bis Christian mich weckt, da er fest überzeugt ist Schritte ums Zelt gehört zu haben. Als sich längere Zeit nichts mehr tut überkommt uns wieder der Schlaf. Bis wir plötzlich vom Lärm einer Kettensäge geweckt werden...